Retrozessionen – in der Diktion des kontinentaleuropäischen Aufsichtsrechts als Zuwendungen bzw. Inducements gefasst und in ihrer dogmatischen Herleitung stets an der Schnittstelle zwischen Vergütungsrecht, Auftragsrecht und Anleger‑Schutzprinzipien verortet – unterliegen seit mehr als einem Jahrzehnt einer normativen Verdichtung, deren Telos eindeutig in der Minimierung struktureller Interessenkonflikte und der Herstellung materieller Kostentransparenz liegt, wobei sich, trotz fortbestehender terminologischer und methodischer Divergenzen zwischen MiFID‑II‑Regime, britischer Consumer‑Duty‑Outcome‑Orientierung, schweizerischer Herausgabedogmatik und US‑amerikanischem Offenlegungs‑ und Best‑Interest‑Ansatz, ein faktischer Konsens herausgebildet hat, der die Annahme und das Behalten von Zuwendungen nur noch unter eng geführten Voraussetzungen zulässt oder – in den besonders konfliktträchtigen Konstellationen unabhängiger Beratung und Portfolioverwaltung – gänzlich proskribiert.
Vor diesem Hintergrund ist für institutionelle Investoren, Pensionskassen, Stiftungen und Family Offices – mithin für jene Akteure, deren fiduciäre Verantwortung die ökonomische Integrität der Vergütungsströme in besonderer Weise in den Fokus rückt – ein dreigliedriges Handlungsprogramm geboten, das erstens die vertragliche und operative Durchsetzung einer konsequenten Net‑of‑Retrocession‑Architektur, zweitens die Etablierung eines evidenzbasierten Governance‑Rahmens und drittens eine grenzüberschreitungsfeste Dokumentation umfasst.
Unter Zuwendungen sind im weiten Sinn sämtliche geldwerten oder geldwertgleichen Vorteile zu verstehen, die ein Intermediär im Zusammenhang mit der Erbringung einer Finanzdienstleistung von einem Dritten erhält, wobei die rechtliche Relevanz dieser Vorteile nicht aus ihrer nominellen Höhe, sondern aus der potentiell interessenleitenden Wirkung erwächst, die geeignet ist, die Produktauswahl, die Beratungstiefe oder die Gebührenstruktur in einer Weise zu beeinflussen, die mit dem vorrangigen Kundeninteresse nicht in Einklang steht.
Ökonomisch betrachtet hat die lange Zeit praktizierte Verknüpfung von Produktkosten und Distributionsvergütungen zu einer verdeckten Quersubventionierung geführt, in der die effektive Gegenleistung häufig hinter den aggregierten Gebühren zurückblieb und die Preis‑Leistungs‑Relation für den Endanleger nur unzureichend erkennbar war, weshalb die regulatorisch erzwungene Entbündelung als strukturelle Korrektur verstanden werden muss.
Das unionsrechtliche Rahmenwerk etabliert ein abgestuftes System, in dem Zuwendungen in der unabhängigen Beratung und der Portfolioverwaltung regelmässig ausgeschlossen sind, während sie in anderen Dienstleistungen nur unter der doppelten Bedingung zulässig bleiben, dass sie die Qualität der Dienstleistung objektiv verbessern und hinreichend offengelegt werden.
Die schweizerische Rechtsordnung kennt dem Auftraggeber einen grundsätzlich unabdingbaren Anspruch auf Herausgabe von Retrozessionen zu, der nur durch einen informierten, inhaltlich und betragsmässig hinreichend konkretisierten Verzicht suspendiert werden kann.
Die britische Aufsicht vollzieht mit der Consumer Duty einen Paradigmenwechsel zur strikt outcome‑orientierten Prüfung, indem sie das nachweisbare Ergebnis für den Kunden – Fair Value, Consumer Understanding, Consumer Support – zum Prüfstein macht.
Das US‑amerikanische Regime verschärft seine Erwartungen insbesondere dort, wo Revenue‑Sharing‑Modelle ohne vollständige und faire Offenlegung praktiziert wurden, und flankiert dies mit einer Best‑Interest‑Pflicht für Broker‑Dealer.
Die Einordnung als professioneller oder institutioneller Kunde erweitert zwar die dispositive Vertragsfreiheit, suspendiert jedoch weder die zivilrechtlichen Rechenschafts‑ und Treuepflichten noch die Notwendigkeit, Vergütungsströme transparent zu steuern und zu dokumentieren.
Die Zulässigkeit von Zuwendungen ist an ein dreistufiges Kompliancemodell geknüpft: Ex‑ante‑Offenlegung, regelmässiges Ex‑post‑Reporting und wirksames Interessenkonflikt‑Management mit organisatorischen und personellen Vorkehrungen.
Eine robuste Vertragsarchitektur verankert Net‑of‑Retrocession als Grundprinzip, statuiert klare Herausgabe‑ und Gutschriftmechanismen und gewährt prüfungstaugliche Daten‑ und Audit‑Rechte entlang der Wertschöpfungskette.
Governance manifestiert sich in messbaren Outcomes: Pre‑Approval‑Prozesse, risikobasierte Ex‑post‑Kontrollen, aussagekräftige KPIs und eine Datenarchitektur, die heterogene Formate konsolidiert und revisionssichere Journalisierung gewährleistet.
In grenzüberschreitenden Konstellationen sind kollisionsrechtliche Fragen und zwingende Schutzvorschriften mit derselben Sorgfalt zu strukturieren wie das ökonomische Arrangement selbst.
Die Dynamik der europäischen Retail‑Investment‑Strategie, die outcome‑getriebene Nachschärfung der britischen Aufsicht und die fortgesetzte US‑amerikanische Vollzugsintensität sprechen dafür, dass die Legitimationslast für Inducements weiter steigen wird.
Das Zielbild ist ein vollständig entbündeltes Gebührenmodell, in dem sämtliche von Dritten gewährten Vorteile durch einen automatisierten, periodisch verifizierten Prozess dem Kundenvermögen zufliessen.
Die Implementierung erfolgt in drei Phasen: Inventarisierung und Gap‑Analyse, Harmonisierung der Verträge und MFN‑Mechaniken, sowie technische Operationalisierung mit unabhängiger Wirksamkeitsprüfung.
„Der Auftragnehmer verpflichtet sich, sämtliche geldwerten Vorteile, Retrozessionen und sonstigen Anreize offenzulegen und unverzüglich an den Auftraggeber herauszugeben oder gutzuschreiben."
„Der Auftragnehmer sichert zu, dass die gewährten Bedingungen mindestens den günstigsten Konditionen entsprechen, die er anderen Kunden mit vergleichbarem Profil einräumt."
Die steuerliche Behandlung weitergeleiteter Zuwendungen hängt von der jeweiligen Rechtsordnung, der Natur der zugrundeliegenden Leistung und dem Leistungsort ab und erfordert eine fallbezogene Analyse.
Die prozessuale Durchsetzung von Herausgabe‑ und Auskunftsansprüchen hat an Intensität gewonnen, weshalb die präventive Dokumentation das wirksamste Mittel zur Risikoreduktion darstellt.
Die Fähigkeit, Vergütungs‑ und Anreizströme rechtssicher, überprüfbar und für die Kundschaft sichtbar zu steuern, avanciert zum Qualitätsmerkmal verantwortungsvoller Finanzintermediation, das die Vertrauensbasis der Mandatsbeziehung nachhaltig stärkt.
Zu den einschlägigen Rechtsquellen zählen auf europäischer Ebene die Richtlinie 2014/65/EU (MiFID II), in der Schweiz Art. 400 OR und die BGer‑Rechtsprechung, im Vereinigten Königreich das FCA‑Handbook, in den USA der Investment Advisers Act und Regulation Best Interest.
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